Säkularisation 1803 –
Ordenstreue gegen staatliches Reglement

Thekla Trück
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JOsef Herr

Infolge der Napoleonischen Kriege wurde 1801 im Frieden von Lunéville den deutschen Landesherren als Entschädigung für die an Frankreich verlorenen linksrheinischen Gebiete Land und Besitz der geistlichen Fürstentümer, Kirchen und Klöster zugesprochen. 1803 wurde diese Entscheidung auf dem Reichstag in Regensburg durch den sogenannten „Reichsdeputationshauptschluss“ für rechtmäßig erklärt. Aber schon 1802 hatte man in Baden begonnen, kirchlichen Besitz zu „säkularisieren“, das heißt in staatlichen und privaten Besitz zu überführen.

Am 25. November 1802 kündigte Markgraf Karl Friedrich (1738/1771-1811) der Äbtissin Thekla Trück und dem Konvent diese Maßnahme an. Am 30. November wurden alle bisherigen Untertanen ihrer Pflichten gegen die Äbtissin entbunden und dem Landesherrn unterstellt. Ab 1. Dezember stand der gesamte Besitz des Klosters unter landesherrlicher Verwaltung, die dem bisherigen Amtmann der Abtei, Bernhard Glyckher, anvertraut wurde.

Lichtenthal verlor zwar seinen Besitz und alle Feudalrechte, konnte aber als Kloster erhalten bleiben. Im vierten Organisationsedikt vom 14. Februar 1803 erklärte der Markgraf: „Das […] Kloster Lichtenthal, welches von einer Markgräfin Unseres Namens und Stammes gestiftet worden ist, bei dem sich die Ruhestätte Unserer ältesten Ahnherren vorfindet, und das nie aus den grenzen devoter Dankbarkeit gegen Unser Fürstliches Haus ausgewichen ist, [soll] unter nachstehenden Bedingungen ferner in klösterlicher Communion beysammen bleiben.“

Die auferlegten Bedingungen griffen so stark in das klösterliche Leben ein, dass eine cisterciensische Lebensweise fast unmöglich wurde. In den folgenden über hundert Jahren kämpften die Äbtissinnen und der Konvent zäh und konsequent um die Erhaltung der monastischen Struktur, ohne durch allzu festes Auftreten gegenüber der Regierung den Bestand des Klosters zu gefährden.

Als Entschädigung für den enteigneten Besitz wurde den Klosterfrauen eine „Sustentation“, das sogenannte Taschengeld, zugesprochen. Im Vertrag setzte Lichtenthal durch, dass dieses nur kollektiv ausgezahlt und nach Weisung der Äbtissin für die Kommunität verwendet wurde. Damit war ein wesentliches Element des Ordenslebens erhalten: der Verzicht auf Privateigentum. Der Konvent behielt das Wohn- und Nutzungsrecht in den enteigneten Gebäuden, sowie Acker- und Gartengelände zur Sicherung der Selbstversorgung. Gemälde und kulturelle Gegenstände blieben teilweise dem Kloster, da dessen Umwandlung in ein „Lehrinstitut“ geplant war; dies sicherte Lichtenthal einerseits den Weiterbestand, andererseits unterstand es damit aber auch in den internen und geistlichen Angelegenheiten der staatlichen Aufsicht. Eine Verbindung zum Cistercienserorden war unmöglich, da die badischen Klöster des Ordens Tennenbach und Salem aufgehoben waren, zu „ausländischen“ Klöstern aber jeder Kontakt untersagt war.

Äbtissin Cäcilia Lauf erklärte sich bereit, mit den Schwestern die Erziehung der Mädchen des Ortes Beuern unentgeltlich zu übernehmen, wollte dieses jedoch mit den regulären klösterlichen Pflichten verbinden. 1811 wurde das „Regulativ für die katholischen weiblichen Lehr- und Erziehungsinstitute des Großherzogtums Baden“ veröffentlicht, zu dessen Einhaltung Lichtenthal nach Übernahme der Schule verpflichtet war. Es untersagte ausdrücklich das gemeinsame Chorgebet und die Ablegung der Ordensgelübde. Das lateinische Chorgebet sollte durch eine private Andacht ersetzt werden, diese hatte „jede in ihrem Zimmer aus Dereesers Gebetbuch zu verrichten“. Den älteren Schwestern wurde zur „Beruhigung ihres Gewissens“ weiterhin das Chorgebet gestattet. Darin wurden sie durch einige jüngere unterstützt, die nicht zum Schuldienst vorgesehen waren; den Schulfrauen war es aber  nicht erlaubt.

Novizinnen durfte das Kloster vorläufig nicht aufnehmen „so lang es nicht auf die Zahl von Zwölfen herabgekommen ist“. Danach durfte beim Landesherrn ein Antrag auf Aufnahme einer Novizin gestellt werden. Da die Sustentation auf zwölf Klosterfrauen berechnet war, durfte in der Folgezeit die Äbtissin weitere Kandidatinnen auf eigene Kosten aufnehmen. Die ordensgemäßen Gelübde auf Lebenszeit waren nicht gestattet, ein Antrag auf deren Genehmigung wurde nicht beantwortet. Deshalb legte die Novizin Amalie Trenkle 1816 am Vorabend das Gelübde in die Hände der Äbtissin Cäcilia Lauf im Kapitelsaal ab, während am nächsten Tag in der öffentlichen Feier in der Klosterkirche jeder Hinweis auf die Dauer des Gelübdes unterblieb. Als Amalie Trenkle 1834 zur Nachfolgerin von Cäcilia Lauf gewählt wurde, bekam sie fortan nur das „Taschengeld“ einer Priorin ausbezahlt, den dritten Teil dessen, was im Sustentationsvertrag für die Äbtissin vorgesehen war. Den Titel und die Funktion einer Äbtissin durfte sie aber behalten.

In den auf die Säkularisation folgenden Jahren unterstand Lichtenthal ab 1812 dem Vikariat Bruchsal und ab 1827 dem neugegründeten Erzbistum Freiburg. Der erste Freiburger Erzbischof war der ehemalige Cistercienser Bernhard Boll. Er war der cisterciensischen Lebensweise in Lichtenthal gewogen und unterstützte den Konvent darin. Die badische Verfassung vom 22. August 1818 enthielt in §18 die Gewissens- und Religionsfreiheit jedes Landesbewohners. Darauf konnte sich Lichtenthal berufen.

Weitere Schwierigkeiten und Gefährdungen gab es während des Kulturkampfes von 1860 bis 1876. 1862 wurde die kirchliche durch die staatliche Schulaufsicht abgelöst und damit der staatliche Einfluss weiter ausgeweitet. Faktisch konnten künftig nur noch Lehrerinnen in den Konvent aufgenommen werden. Durch das Schulgesetz von 1868 wurde „Mitgliedern eines religiösen Ordens […] jede Lehrwirksamkeit an Lehr- und Erziehungsinstituten untersagt“. Lichtenthal konnte aber darauf verweisen, dass ihm im Jahr 1811 durch das Regulativ der Status eines Ordenshauses entzogen worden war.

Große Unterstützung erhielt das Kloster auch durch Großherzogin Stephanie Beauharnais, die als Katholikin gerne in die Gottesdienste kam, sowie durch den Kuppenheimer Pfarr-Rektor Franz-Josef Herr, der gute Beziehungen zum Hofe des Großherzogs hatte. Ab 1827 war er Spiritual in Lichtenthal und konnte durch seine Beratung wesentlich zu einem klugen Verhalten der Abtei beitragen.

Da die Zukunft aber weiter unsicher war, kam es 1883 zur Gründung des Tochterklosters Mariengarten in St. Pauls-Eppan in Südtirol, um im Falle einer Aufhebung eine Zufluchtsstätte zu haben und Novizinnen gemäß den Ordensregeln ausbilden zu können. Intern bemühte man sich in Lichtenthal weiter um eine monastische Lebensordnung. Durch die Wiederbesiedlung der Abtei Marienstatt im Westerwald 1888 war der Orden wieder in Deutschland präsent, und Lichtenthal konnte Kontakt aufnehmen.

Unter Erzbischof Thomas Nörber (1898-1920) wurde Lichtenthal 1900 von Papst Leo XIII. als Cistercienserinnen-Kloster anerkannt, blieb jedoch unter der Aufsicht des Erzbischofs. Gegenüber den staatlichen Organen galt weiterhin das Regulativ. Erst am 7. November 1921, nachdem 1919 die Weimarer Verfassung rechtsgültig geworden war, wurde das Regulativ abgeschafft, das seit dem 16. September 1811 mehr als hundert Jahre die religiösen Rechte der Frauenklöster massiv beschränkt hatte.

1925 wurde Lichtenthal dem Orden angegliedert, jedoch nicht voll inkorporiert. Die Jurisdiktion blieb beim Erzbistum, die eigentliche Aufsicht wurde aber an den Abt von Wettingen/Mehrerau delegiert. Seit dem 3. Juli 1993 ist Lichtenthal dem Orden wieder voll inkorporiert.

(Sr. M. Roswitha Goertz OCist nach: Sr. M. Pia Schindele OCist Ordenstreue gegen staatliches Reglement, in: H.U. Rudolf (Hrsg.)Alte Klöster neue Herren. Begleitbuch zur Landesausstellung BW 2003 in Bad Schussenried, Ostfildern 2003.)