Das Kloster Lichtenthal
Die Abtei Lichtenthal kann seit ihrer Gründung auf die lange Zeit von mehr als 775 Jahren zurück blicken. Allerdings war es eine sehr wechselvolle Geschichte, in der die Nonnen oft um ihre geistliche, rechtliche und wirtschaftliche Selbständigkeit ringen mussten. Sie waren damit insgesamt erfolgreich, sonst würde dieses Kloster nicht mehr als solches bestehen.
Erste Erwähnung
In einer Urkunde von 1243 ist erstmals der Name „Lichtenthal“ erwähnt. Darin verpflichtete sich der Abt von Maulbronn für die Frauen in Lichtenthal – Lucida Valle – die geistliche Sorge zu übernehmen. Mit einer Urkunde vom März 1245 übergaben die Markgrafen Rudolf und Hermann von Baden ihrer Mutter Markgräfin Irmengard weitere Güter, damit die Stiftung eine ausreichende materielle Grundlage hatte. Mit diesem Stiftungsgut konnte nun das eigentliche klösterliche Leben beginnen, auch der Bau der Gebäude. Die ersten Nonnen kamen aus dem Kloster Wald bei Messkirch, die erste Äbtissin war Frau Trudindis von Liebenstein.
Klosterweihe
Die Weihe der Klosterkirche erfolgte am 3. November 1248. Die Gründungslegende Lichtenthals erzählt, dass das Bachbett der Oos verlegt wurde, damit das Kloster auf dem Gebiet des Bistums Speyer zu liegen kam. Der Straßburger Bischof lehnte auf seinem Gebiet ein Cistercienserinnenkloster ab. Nach der Verlegung befand sich Lichtenthal auf der Speyrer Seite. Die Kirchweihe wurde dann trotzdem vom Straßburger Bischof Heinrich von Stahleck vollzogen, weil der zuständige Bischof von Speyer noch nicht geweiht war.
Grablege der Markgrafen
Im November 1288 schenkte Markgraf Rudolf dem Kloster das Dorf Geroldsau. Die Einkünfte sollten zur Errichtung einer Grabkapelle als Ersatz für die in Backnang aufgegebene Grablege der Familie und zur Abhaltung der Gottesdienste für das Seelenheil der markgräflichen Familienmitglieder dienen. Seine Tochter, die damalige Äbtissin Adelheid von Baden, führte die Aufträge ihres kurz darauf verstorbenen Vaters getreulich aus. Sie bestätigt 1312 die väterliche Stiftung. In der Totenkapelle wurden drei Altäre für die Seelenmessen mit Pfründen für Geistliche errichtet. Bis 1372 wurden die Familienangehörigen hier bestattet, später noch deren Herzen, bis die Kapelle als Grablege ganz aufgegeben wurde.
Niedergang im späten Mittelalter
In den ersten hundert Jahren erfuhr Lichtenthal, so ist überliefert, eine ruhige und stetige Entwicklung. Der Besitz erweiterte sich durch die Mitgift der eintretenden, meist dem niederen Adel angehörenden nachgeborenen Töchter. Alle Äbtissinnen bis 1444 entstammten adligen Häusern, die meisten dem Haus Baden und der verwandten Familie des Hauses Lichtenberg. Ab der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts kam es in vielen Klöstern, so auch in Lichtenthal, zu einer Zeit des Niedergangs. Ursachen waren Klimaveränderungen, Bevölkerungsrückgang durch die große Pestwelle, brachliegende Felder und allgemeiner Hunger. Das hatte auch in Klöstern, die aus der feudalen Ordnung des Mittelalters kamen, seine Auswirkungen. Lichtenthal war damals mit 80 Nonnen überfüllt, das führte zur Auflösung des Gemeinschaftslebens, zur Eigenversorgung und zu Übertretungen bezüglich der Klausur, zur Auflösung der klösterlichen Disziplin.
Klostererneuerung
Auf dem Generalkapitel von 1426 erließ der Orden ein Reformstatut, das in Lichtenthal eine durchgreifende Reform und Wiederherstellung der monastischen Disziplin anordnete. Am 23. April 1444 ist erstmals eine Lichtenthaler Urkunde von Äbtissin Elisabeth Wiest, der ersten bürgerlichen Äbtissin, unterzeichnet. Im Lichtenthaler Nekrologium wird sie als „reformatrix de regis ponte“ benannt. Der Orden hatte zur Reform in Lichtenthal Nonnen aus dem Kloster Königsbrück im Elsass gesandt. Die Reform war erfolgreich, in Lichtenthal wurde der Eifer für das geistliche Leben neu entfacht. Davon zeugen die neu entstehenden Handschriften, vor allem der Schreibmeisterin „Margaretha, dicta Regula“ und weiterer Schreiberinnen.
Am Ende des 15. Jahrhunderts kam es unter den Äbtissinnen, der badischen Prinzessin Margaretha von Baden und ihrer Nichte Maria von Baden, zu einem weiteren Aufschwung. Sie benutzten ihre reiche Mitgift, um die schönen Altäre und weitere Kunstwerke herstellen zu lassen, die heute noch das Kloster zieren.
Die Zeit der Reformation
In der Zeit der Reformation und den folgenden Kriegszeiten hatte Lichtenthal eine Reihe starker und umsichtiger Äbtissinnen, die es verstanden, dem Konvent unter den zwischen den Konfessionen wechselnden Markgrafen die katholische Konfession zu erhalten. Nach Maria von Baden folgten Rosula Röder von Hohenrodeck und Anna von Mörsperg. Damit endet die Linie der Äbtissinnen aus adeligen Familien.
Besonders unter den langen Amtszeiten von Äbtissin Barbara Vehus, der Tochter des badischen Kanzlers Hieronymus Vehus, und ihrer Nachfolgerin, der Äbtissin Margaretha Stültzer, erstarkte der Konvent an Zahl und im geistlichen Leben derart, dass von Lichtenthal aus drei Frauenklöster neu besiedelt bzw. in der Reform unterstützt werden konnten. Für die jeweilige Äbtissin war es stets ein zähes Ringen um die Aufnahme neuer Kandidatinnen, um die Bestellung eines Klostergeistlichen – es gab in der Markgrafschaft keine Männerklöster mehr – um die Einhaltung der Ordensregeln und der Visitation usw. Die Äbtissinnen waren dabei durchaus geschickt, wussten aber auch, woran sie auf jeden Fall festhalten wollten.
Kriege, Aufstände und Neuaufbau
In den folgenden zwei Jahrhunderten war das Kloster sehr oft durch die kriegerischen Ereignisse in der Region in arger Bedrängnis oder akut im Bestand gefährdet: Die Bauernaufstände, Reformationskriege, 30-jähriger Krieg, pfälzischer Erbfolgekrieg mit Verwüstung der gesamten Region und dem großen Brand von Baden 1687 – während der „Türkenlouis“ die deutschen Lande verteidigte, wurde seine Heimat verwüstet – spanischer Erbfolgekrieg usw. Dazu kamen die Rivalitäten zwischen den Landesherren, dem Orden in Person des Abtes von Tennenbach und dem Bischof von Speyer, der infolge des Konzils von Trient die Aufsicht über die Klöster in seinem Bistum beanspruchte. Trotz all dieser Widrigkeiten konnte sich Lichtenthal behaupten und im 18. Jahrhundert die inzwischen baufällig gewordenen Gebäude neu aufbauen. Lichtenthal erhielt im 18 Jahrhundert den Charakter der barocken Klosteranlage, so wie man sie jetzt kennt.
Säkularisation
Infolge der französischen Revolutionskriege kam es zu einer grundlegenden politischen Umgestaltung Europas. Eine Folge davon war die „Säkularisation“, der fast alle Klöster – auch Bistümer und Reichsstädte – zum Opfer fielen. Lichtenthal konnte als Grablege des Herrscherhauses unter besonderen Bedingungen, die restriktiv in das eigentliche Ordensleben eingriffen, bestehen bleiben. Gebäude und Grundstücke wurden enteignet. Heute gehört die Klosteranlage dem Land Baden-Württemberg. Mit ausländischen Klöstern durfte kein Kontakt aufgenommen werden. Da alle deutschen Klöster des Ordens aufgelöst waren, war Lichtenthal praktisch vom Orden abgetrennt. Eine Bedingung für den Fortbestand des Klosters war, dass die Nonnen „die Gemeinnützigkeit ihres Daseins“ zu erweisen hatten. Im Großherzogtum Baden war geplant, die Klöster, auch Lichtenthal, in Erziehungsinstitute umzuwandeln. Am 16. September 1811 wurde das „Regulativ für die katholischen weiblichen Lehr- und Erziehungs-Institute des Großherzogtums Baden“ veröffentlicht. Lichtenthal wurde genötigt, innerhalb von drei Wochen eine Stellungnahme abzugeben, wie es gemeinnützig tätig werden wollte, andernfalls wolle man es eingehen lassen. Am 5. Juli 1814 fand die erste offizielle Besprechung mit der Regierung wegen der künftigen Mädchenschule Lichtenthal statt. Sechs Schwestern des Konventes wurden für den Schulunterricht ausgebildet. Nach den bestandenen Prüfungen wurde am 9. Februar 1815 das Lehrinstitut feierlich eröffnet. Am 9. Februar 2015 konnte das 200-jährige Schuljubiläum gefeiert werden. Die Zeit des Kulturkampfes überstand Lichtenthal als „Lehrinstitut“ ziemlich unbehelligt. Als Zufluchtsort gründeten die Schwestern jedoch in Südtirol ein Tochterkloster, die jetzige Abtei Mariengarten bei St. Pauls – Eppan.
Lichtenthal heute
Nachdem das Haus Baden 1918 als Regierung im Land abgelöst war und nach Aufhebung des Regulativs von 1811 konnte Lichtenthal zunächst unter Aufsicht der Erzbischöfe von Freiburg Anschluss an den Orden gewinnen. 1993 wurde das Kloster wieder mit allen Rechten in den Orden aufgenommen. 1995 konnte das 750. Jahr und 2020 das 775. Jahr des Bestehens gefeiert werden.